Wir schreiben den 10. Januar 1945 – seit mehr als fünf Jahren ächzt die ganze Welt, aber vor allem Europa, unter dem von den Nazis initiierten 2. Weltkrieg. An diesem eiskalten Mittwoch im Januar 1945 leidet die Bevölkerung Londons aber nicht nur unter der regelmäßigen Bombardierung durch die Nazis, es herrschen zudem auch extrem kalte Temperaturen von knapp über 0 Grad am Tag und bis teilweise -7 Grad Celcius am Abend und in der Nacht. In der Archway Road im Londoner Stadtteil Highgate erblickte genau an diesem so ungemütlichen Tag der kleine Roderick David Stewart das Licht der Welt – als fünftes Kind der stolzen Eltern Bob und Elsie Stewart in einem kleinen Schlafzimmer im obersten Stock des kleinen Reihenhauses der Familie.
Der kleine Roderick war nicht unbedingt geplant, kam eher als „Ausrutscher“ seines schottischen Vaters zustande – „im Gegensatz zu seinen sonstigen Ausrutschern jedoch ein ziemlich lukrativer“, wie der damals noch winzige Bub viele Jahre später in seiner eigenen Autobiografie schrieb.
Die Zeiten in diesen Tagen waren hart, nicht nur für die Familie Stewart, die nun auch noch fünf anstatt nur vier Mäulern zu stopfen hatte. Papa Stewart arbeitete zu der Zeit, als Klein-Rod das Licht der Welt erblickte, als Klempner. „Er schuftete zwölf Stunden am Tag, kam abends um sieben Uhr nach Hause und legte seine Füße hoch“, erinnerte sich Rod. In seiner Freizeit managte Bob Stewart einen lokalen Fußballverein – Highgate Redwing – und so kam der junge Rod schon früh mit dem Sport in Kontakt, der ihn auch heute noch, wo wir seinen 80. Geburtstag feiern, genauso begeistert wie in den Kinder- und Teenagertagen.
Natürlich dauerte es nicht lange bis auch Rod für die Redwings die Schuhe schnürte. Zunächst als Innenverteidiger, dann im Mittelfeld, ehe Rod als rechter Außenverteidiger seine Wunschposition fand.
In der Schule lief es ordentlich für ihn, der junge Rod war zwar kein herausragender Schüler, aber durchaus pflichtbewusst und „halbwegs fleißig“, wie er es später nannte. Lustigerweise hatte der heutige Musik-Superstar gerade im Musikunterricht so seine Problemchen. „Wenn ich vor der Klasse aufstehen musste, war ich immer wie gelähmt“, erzählte Rod in seinem Buch. „Dabei war nicht Schüchternheit mein Problem, ich fürchtete mich vielmehr davor, lächerlich gemacht zu werden“.
Aus seinem Zimmer in Highgate blickte Rod in seinen jungen Jahren immer wieder auf den Verschiebebahnhof von Highgate und die dahinterliegenden Gleise. Dies faszinierte den Teenager immer mehr und mehr und so wuchs der Wunsch nach einer Triang-Modelleisenbahn aus Holz. Dieser Wunsch wurde ausgerechnet an Rods 15. Geburtstag zunichte gemacht, als sein Vater ihm eine Gitarre schenkte. Die Vorfreude auf die Modelleisenbahn schwand mit einem Schlag, stattdessen machte sich eine riesige Enttäuschung in Rod breit, nichtsahnend, was diese Gitarre für hn noch bedeuten würde in seinem späteren Leben. 1962 – Rod war inzwischen 17 Jahre – machte er sich mit ein paar Freunden auf den Weg nach Paris. „Das war das erste Mal, dass ich England verließ. Ich lieh mir etwas Geld und nahm die Fähre nach Frankreich“, erzählt Sir Rod. Er sang für die Passanten und Gäste vor einem Café und kaufte sich von den paar Kröten, die er damit verdiente, ein Baguette. Geschlafen wurde unter einer Seine-Brücke, in der Nähe des Eiffelturms. Eine zweite, ähnliche Reise führte den Busker nach Spanien, genauer gesagt nach Barcelona. „Mit einer Gruppe reisender Engländer schlief ich unter dem Dach von Camp Nou, dem Fußballstadion in Barcelona“, erinnert sich der Sänger.
Lange ging das aber nicht gut, dann tauchte die spanische Polizei auf und brachte die Gruppe zum britischen Konsul, der die Störenfriede wiederum in den nächsten Flieger nach England setzte. „Ich habe meine Eltern in dieser Zeit einige Nerven gekostet“; weiß Rod heute. Damals aber, als Teenager, als der man sich selten wirkliche Gedanken um alles und jeden macht, sondern vielmehr einfach nur alles erleben will, was es zu erleben gibt, war das eher nicht der Fall.
Eine Begegnung, die alles verändert
Zurück in England konnte man Rod in den Jahren 1962 und 1963 oftmals am Bahnhof Twickenham in Westlondon treffen. Und just da nahm die Geschichte ihren ganz entscheidenden Lauf.
Rod tingelte seinerzeit durch die Pubs und Clubs der Stadt, stets auf der Suche nach der Möglichkeit hier und da als Background-Sänger ein paar Pfund dazu verdienen zu können. An einem dieser Abende sah er zum ersten Mal die Yardbirds, mit einem gewissen Eric Clapton an der Gitarre. Wenig später sollte er auch Mick Jagger und die Stones das erste Mal bei einer Show erleben. Die Musik hatte den inzwischen 18-jährigen Roderick immer mehr in den Bann gezogen. Wenn er unterwegs war – und das war er eigentlich immer – hatte er seine Gitarre stets dabei. Und wann immer sich die Möglichkeit ergab, klimperte er darauf herum. Von der Enttäuschung über das damalige Geburtstagsgeschenk war inzwischen keine Rede mehr. Der Junge hatte Talent und er zog mit seinem Gitarrenspiel und seinem Gesang Leute an. „Wenn ich am Strand spielte, hatte ich immer ein kleines Publikum um mich herum“, so Stewart. Warum also sollte er sich also nicht auf eine Bühne stellen, dachte Rod. Er wusste, dass er singen konnte, doch so richtig ließen sich seine Pläne noch nicht umsetzen. Bis auf ein paar kleine Jobs ergab sich nicht viel. Bei Jimmy Powell und den Five Dimensions konnte er sich aber immerhin erste Sporen verdienen.
Dann kam dieser denkwürdige Abend auf dem Bahnhof Twickenham, der Rods Leben mit einem Schlag verändern sollte. „Ich saß auf dem Bahnsteig von Twickenham und wartete auf den Zug nach Waterloo. Um mir die Zeit zu vertreiben, holte ich die Mundharmonika aus meiner Manteltasche und spielte das Riff von Howlin‘ Wolfs Smokestack Lightnin‘, einer Bluesnummer, die ich leidlich beherrschte“, berichtet Rod in seiner Autobiografie 2012. Long John Baldry befand sich zur gleichen Zeit auf dem Bahnhof und „spitzte die Ohren, als er in jener Winternacht einen wunderbar melancholischen Blues durch den verlassenen Bahnhof klingen hörte“.
Baldry stellte sich Rod vor und gemeinsam fuhren die beiden dann zurück in die Stadtmitte und redeten über Long Johns Pläne zur Weiterführung seiner Band „Long John Baldry and the Hoochie Coochie Men“. Kurz gesagt: Baldry fragte Rod, ob er Lust hätte als Backgroundsänger bei den Hoochie Coochie Men anzufangen.
„Natürlich ergriff ich diese Gelegenheit“, so Rod. Aber aller Anfang war dann doch etwas schwieriger als gedacht, denn es bedarf noch warmer und überzeugender Worte für Rods Mutter Elsie. Das nahm Baldry höchstpersönlich in die Hand: „Keine Sorge Mrs. Stewart, ich kümmere mich um ihren Roddy“. Damit war die Hürde genommen und somit war Rod nun Teil der Long John Baldry and the Hoochie Coochie Men.
Rod startete durch - Faces als Fleetwood Mac “getarnt”
Von da an ging es mit Rods noch junger Musikkarriere nur noch nach oben. Über The Soul Agents, Shotgun Express und The Steampacket kam er 1967 in die Jeff Beck Group. Zweieinhalb Jahre blieb Rod bei Jeff Beck, dann schloss er sich gemeinsam mit seinem bis heute wohl besten Kumpel Ron Wood den Faces (ehemals Small Faces) an.
Die Faces, zu denen neben Wood auch die drei verbliebenen Small-Faces-Mitglieder Ronnie Lane, Ian McLagan und Kenney Jones gehörten, erwarben sich schnell den Ruf eine der besten Livebands der späten 60er und frühen 70er Jahre zu sein. Auf den Tourneen – zunächst in Europa, später dann auch in den USA – ging es rund. Unbändiger Alkoholkonsum auf und abseits der Bühne sowie zahlreiche Eskapaden der Band sorgten schnell für einen „miesen Ruf“. Da wurden auch schon mal Hotelzimmer in ihre Einzelteile zerlegt, was dazu führte, dass die Faces bei der Hotelkette Holiday Inn auf die schwarze Liste kamen und striktes Hausverbot erteilt wurde. Aber die pfiffigen Jungs fanden auch dafür eine Lösung. „Nachdem ein Badezimmer zu viel unter Wasser gestanden hatte, setzte man uns schließlich auf die schwarze Liste und verbannte uns aus sämtlichen Hoilday-Inn-Häusern“ erinnert sich Rod an die Tage von Sex, Drugs & Rock’n’Roll zurück. „Soweit ich weiß, waren wir die erste Rockband, der das passierte. Um das Hausverbot zu umgehen, fingen wir an, als Fleetwood Mac einzuchecken. Als das herauskam, nannten wir uns The Grateful Dead. Es gibt eben immer Möglichkeiten, solche Probleme zu umschiffen“, erzählte Stewart, aber nicht ohne sein berühmtes schelmisches Grinsen aufzusetzen.
Die Faces machten sich allerdings nicht nur durch solche Geschichten einen Namen, sondern auch durch ihre Musik. Hits wie Stay With Me, Had Me A Real Good Time oder Ohh La La prägten in den 1970er Jahren die Musikszene. Trotz des riesigen Erfolges der Band konzentrierte sich Rod Stewart aber auch auf seine Soloprojekte. Was nicht ohne Folgen bleiben sollte.
Wake up Maggie, I think I got something to say to you …
Die Stimmung bei den Faces litt unter Rods Wandeln auf Solopfaden. „Das Wasser wurde trüber“, schrieb Rod Stewart beim Blick zurück auf diese Zeit. „Ronnie und Mac stellten sich ständig misstrauische Fragen: Wem widmete ich mehr zeit? Wohin ging meine Energie? Galt meine Priorität oder mit selbst?“
Mit dem Erscheinen von Rod Stewarts Song Maggie May verschärfte sich die Situation. Nachdem ein Radio-DJ in Cleveland die Seiten der Single vertauschte und Maggie anstelle von Reason To Believe (eigentlich der Song auf der A-Seite) spielte, schnellte Maggie May wie der Blitz auf Nummer eins in den Charts. Der Song begeisterte die Hörer und wurde zum ultimativen Startpunkt von Stewarts Solokarriere. Im Oktober 1971 erklomm Maggie die Tabellenspitze der Hitlisten, um hier einmal in den Fußballjargon abzudriften – gleichzeitig im UK wie auch in den Vereinigten Staaten. Als Folgeeffekt landete auch das dazugehörige Album Every Picture Tells A Story auf der Eins und verdrängte sogar John Lennons Album Imagine von der Spitzenposition.
Rods Erfolg leitete dann aber auch das Ende der Faces ein, die sich 1975 trennten. Die einzelnen Bandmitglieder gingen verschiedene Wege: Wood ging zu den Rolling Stones; Lane gründete Slim Chance und hatte eine mäßige Solokarriere; Jones wechselte nach dem Tod von Keith Moon zu The Who; Ian „Mac“ McLagan wurde Studiomusiker.
Nach Maggie „segelt“ Rod um die Welt
Im gleichen Jahr, in dem die Faces ihre Trennung bekanntgaben, schaltete Solo-Rod die nächste Stufe seines bis heute grandiosen Erfolges. Mit Sailing erschien der Song, den wohl nahezu 100 Prozent der Weltbevölkerung mit seinem Namen verbinden. Ursprünglich 1972 geschrieben von Gavin Sutherland von der Sutherland Brothers, ging der Song drei Jahre später mit Rod Stewarts Version „durch die Decke“ und wurde zu einer der Hymnen der Musikgeschichte. Platz eins in Belgien, Irland, den Niederlanden, Norwegen, in Großbritannien und sogar in Simbabwe. In Australien, Südafrika und der Schweiz landete Sailing auf der Zwei, schaffte Platz drei in Neuseeland und Rang vier in Deutschland. Nicht ganz so erfolgreich war der Titel in den USA, wo es nur zur Paltz 58 in den Billboard-Charts schaffte. Wohl auch deswegen spielt Sir Rod den Song Sailing auf seinen Konzerten nie in den USA, während er dagegen in Europa und anderen Teilen der Welt zum festen Bestandteil der Setlisten gehört.
Hit auf Hit – und ein Ausflug in die Welt der Disko
In den späten 1970er Jahren lieferte Stewart Hits wie am Fließband. Ob The Killing of Georgie und Tonight’s The Night (1976), I Don’t Want To Talk About It, The First Cut Is The Deepest und You’re In My Heart (1977) sowie Hot Legs und I Was Only Joking (1978) – alle diese Songs wurden zu den bekanntesten Songs in der Musikwelt und werden auch rund 50 Jahre nach ihrem Erscheinen immer noch regelmäßig von den Radiostationen auf der gesamten Welt gespielt.
Mit Da Ya Think I’m Sexy landete Sir Rod zudem einen weiteren Hit, bei dem er einen Ausflug in die Diskomusik wagte. Auch dieser Track gehört nach wie vor zum heutigen Repertoire des Sängers bei seinen Konzerten und ist ein Fan-Liebling. Auch wenn Rod selbst von „Sexy“ gar nicht so angetan zu sein schien, wie seine Millionen Anhänger. „Ich möchte nicht mit 50 Jahren Da Ya Think I'm Sexy singen und eine Parodie von mir selbst sein“, sagte er einmal in einem Interview. Wir alle wissen, dass unser guter Rod den 50. Geburtstag nun schon sehr lange hinter sich hat und trotzdem ist der Song aus seinen Konzertsetlisten einfach nicht wegzudenken. Dem Esquire Magazin sagte er 2012: „Früher war es mir peinlich, Da Ya Think I'm Sexy zu singen, aber die Leute lieben es. So it's in the show.“ Und da sage noch einer, man könne seine einmal verfasste Meinung nicht ändern.
Baby Jane stürmt die europäischen Charts
Zu Beginn der der 1980er Jahre bescherte uns Sir Rod zwei der wohl besten Rocksongs aller Zeiten. Auch wenn sich das an den Chartplatzierungen nicht unbedingt ausdrückte. Aber Young Turks und Tonight I’m Yours (beide vom Album Tonight I’m Yours, 1981) – und jetzt Achtung! - Fanmeinung: ... begeistern die Stewart-Anhänger weltweit und sind auch heute noch fester Bestandteil der Konzerte des inzwischen 80-jährigen Sängers. Für mich, und da spricht der Autor dieser Geschichte wohl etlichen Fans aus der Seele, gehören diese beiden Songs zum Besten, was Rod Stewart jemals veröffentlicht hat. Die Lieder reißen vom ersten Takt an mit und es wird wohl nur wenige Menschen geben, die nicht beim Anhören einfach nur anfangen, herumzuzappeln. Fanmeinung Ende!
Nicht minder mitreißend, dazu aber deutlich erfolgreicher war zwei Jahre später das gute Baby Jane. Die Auskopplung aus dem Album Body Wishes wurde nach Da Ya Think I’m Sexy die erfolgreichste Single Stewarts. In Deutschland und dem Vereinigten Königreich wurde der Song die Nummer eins der Charts und hielt sich sagenhafte 21 Wochen in den deutschen Charts (14 im UK). Dafür gab es Gold in Deutschland und Frankreich, Silber in Großbritannien.
Die folgenden Alben Camouflage (1984), Every Beat Of My Heart (1986) und Out of Order (1988) beendeten Stewarts erfolgreiche 80er-Ära, keine Single dieser Longplayer kam aber an den Erfolg von Baby Jane heran. Auch wenn die Scheiben solche Ohrwürmer wie Some Guys Have All The Luck, Every Beat Of My Heart oder Lost in You hervorbrachten.
Als Vagabund in die 1990er
Zu Beginn des nächsten Jahrzehnts brachte Rod Stewart sein Album Vagabond Heart heraus, mit den Songs Rhythm Of My Heart oder It Takes Two, das er gemeinsam mit Tina Turner einsang.
Das Album konnte aber auch mit weniger bekannten Songs wie Rebel Heart und Go Out Dancing oder dem Schmachtsong You Are Everything oder If Only überzeugen. Die Vagabond Heart Tour führte Stewart zu Auftritten in der ganzen Welt. Dabei spielte er 1991 123 Konzerte, 43 im darauffolgenden Jahr. 73 Auftritte gab es in diesem Zeitraum allein in den USA, gefolgt von Deutschland (22), Großbritannien und Australien (jeweils 20). Vor allem die Tour 1991 durch Europa war von Stimmproblemen des Sängers gekennzeichnet. So mussten etliche Shows vor allem in Deutschland umterminiert werden oder fielen sogar ganz aus.
Der Autor dieser Zeilen war davon sogar direkt betroffen. Im Sommer 1991 wollte er das Konzert im kleinen Örtchen Grefrath, knappe 50 km von Düsseldorf entfernt und nahe der Grenze zu den Niederlanden, besuchen. Die dortige Eissporthalle war ausverkauft, die Fans warteten voller Vorfreude auf den Beginn des Abends, der dann jedoch ganz anders verlief als geplant. Kurz vor dem Showbeginn um 20 Uhr kam anstelle des Sängers, den alle erwartet hatten, ein Vertreter des örtlichen Veranstalters auf die Bühne und verkündete, dass Rod aufgrund von kurzfristig aufgetretenen Stimmproblemen beim Warmsingen im Hotelzimmer, nicht auftreten könnte. Noch am selben Abend wurden dem Publikum die Gelder für die Tickets zurückerstattet und so fuhr man unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
Back to the Standards – das Great American Songbook prägte die 2000er Jahre
Das neue Jahrtausend begann für Rod Stewart mit einem privaten Schicksalsschlag. Im Mai 2000 wurde bei ihm im Rahmen einer Routineuntersuchung Schilddrüsenkrebs diagnostiziert, er drohte seine Stimme, die einzigartig in der Musikwelt ist, auf ewig zu verlieren. „Eine solche Nachricht trifft dich ins Mark“, gab er später rückblickend zu. „Als die anfängliche Benommenheit nachließ, kämpfte ich mit der Angst, fühlte mich verletzlich wie nie zuvor. Es war ein Segen, dass die nötigen Maßnahmen so schnell eingeleitet wurden und mir kaum Zeit blieb, diesen Gefühlen freien Lauf zu lassen“.
Die Maßnahmen war die OP, die top secret durchgeführt wurde. „Ich checkte um fünf Uhr früh unter dem Namen Billy Potts ein (die Namen meiner beiden Hunde), damit die Presse möglichst keinen Wind davon bekam, dass Rockstar Rod für eine Krebs-OP ins Krankenhaus musste“. Der Eingriff verlief gut, „alles Üble war draußen“, jedoch teilten die Ärzte Rod mit, dass „es möglicherweise sein könnte, dass es nicht mehr dieselbe Stimme wäre“. Die Ärzte verordneten Ruhe, vor allem auch für die Stimme. Bei Rod machte sich Panik breit. Würde er jemals wieder ein Album aufnehmen können? Jemals wieder auf eine Bühne stehen und vor Publikum singen?
Nach Ablauf von sechs Monaten begann Rod Stimmübungen zu machen, gemeinsam mit einem Kantor einer Synagoge in der Nachbarschaft. „Man hatte mir gesagt, er wüsste alles über Stimmen und die Möglichkeit, sie zu stärken. Es war ein tägliches Übungsgprogramm. Er ließ mich Tonleitern singen, Läufe und Arpeggien. Er zwang mich, prustende und summende Laute von mir zu geben“, erinnert sich Stewart in seiner Autobiografie. Danach lud er seine Band zu sich nach Hause ein und einfach ein paar Lieder sang. Nach und nach steigerte sich die Belastung der Stimme, erst eine Textzeile, dann mehrere und bis hin zu zwei Strophen und schließlich zu einem ganzen Song. Sir Rod musste das Singen ganz neu erlernen, was auch gelang, wie wir heute alle wissen. „Ich hatte Schwein gehabt“, zog der heute 80-Jährige ein treffendes Fazit.
Musikalisch präsentierte Sir Rod im neuen Jahrtausend etwas ganz Neues – das Great American Songbook. Für Rod war es ein lang gehegter Traum, ein Album mit den American Pop Standards aufzunehmen und die Idee nahm während eines Essens mit seinem Freund und Produzenten Richard Perry, der am Heiligabend 2024 verstarb, ihren Lauf. Und so entstand It Had To Be You – The Great American Songbook, das am 22. Oktober 2002 auf den Markt kam. Das Album wurde zu einem großen Erfolg, fuhr 14-mal Platin ein und zweimal Gold. In den USA schaffte es das Album bis auf Platz vier, acht im UK. In den folgenden Jahren ließ Rod noch vier weitere Alben mit den American Pop Standards folgen, was bei den langjährigen Anhängern, die ihn schon zu seinen Faces-Zeiten begleitet haben, nicht immer gut ankam. Die Fanbase wünschte sich wieder verstärkt eigene, selbstgeschriebene Stewart-Songs und die Rückkehr zum guten alten Rock’n’Roll.
2010er Jahre: Der Weg zurück zum Songwriting und aus Roderick David wird ein Sir
Im neuen Jahrzehnt entschied sich Rod dazu, sein Leben in Buchform zu erzählen und veröffentlichte im Oktober 2012 seine Autobiografie mit dem schlichten Titel ROD. Auf über 400 Seiten erzählte Rod seine Geschichte – offen, schonungslos und ehrlich. Eine Abrechnung mit Kollegen oder ehemaligen Freunden gibt es nicht, dafür aber einen umfangreichen Einblick in viele bewegende Momente des Sängers im Laufe seiner Karriere.
Durch die Erstellung seiner Autobiografie animiert, begann Rod daraufhin wieder mit dem Schreiben eigener Songs. Zum Vorschein kam mit Time ein Nummer-eins-Album, das 2013 bis auf Platz eins im Vereinigten Königreich kletterte und bis heute Rods letztes Album auf dem Platz an der Chartsonne war. Nach Time folgten mit Another Country (2015) und Blood Red Roses (2018) zwei weitere Alben, auf denen sich überwiegend selbstgeschriebene Songs aus Rods Feder wiederfanden. Auch auf Tears of Hercules, Rods erstem Album in den 2020er Jahren, kamen die Hörer in den Genuss von neuem Stewart-Material.
2016 wurde Stewart zudem für seine Verdienste rund um die Musik und Charity zum Ritter geschlagen und durfte sich von da an Sir Rod nennen. Eine besondere Ehre für den Sänger, die er stolz auf einem Konzert verkündete.
Swing Fever
2024 erschien das Album Swing Fever, das Sir Rod gemeinsam mit Bandleader Jools Holland und seinem Orchester einspielte. Die Songs wurden allesamt live eingespielt und das merkt man dem Album auch an. Findet auch das österreichische Nachrichtenportal Heute, das schreibt: „Die Songs darauf sind keine glattpolierten Coverversionen von Klassikern der 1930er bis 1960er Jahre, sondern Swing, wie er in seiner besten Form sein sollte: laut, schnell und dreckig. Darunter sind Stücke wie "Lullaby Of Broadway" von 1935, das bereits von Doris Day gesungen wurde, "Pennies From Heaven", mit dem Bing Crosby bereits 1936 einen Hit hatte oder "Good Rockin’ Tonight" von 1947, mit dem Elvis Presley später Erfolge feierte. Rod Stewarts legendäre Reibeisenstimme verschmilzt mit Hollands Piano und der Big Band zu einem neuen Ganzen und dieses Ganze macht in allererster Linie Spaß. Und der bewegt sich von den Musikern auch direkt zu den Zuhörern“.
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